Ausbildung als Strategie gegen den Fachkräftemangel
oder: Social Media als Recruiting-Tool
Laut der Bundesagentur für Arbeit fällt es immer schwerer, frei gewordene Stellen zu besetzen. Unternehmen benötigen von der ersten Meldung bis zur endgültigen Einstellung im Schnitt 123 Tage. Besonders lange müssen Arbeitgeber in der IT warten – mehr als 200 Tage sind es hier.
Hinzu kommt ein alarmierender Anstieg:
In Deutschland fehlen 124.000 IT-Spezialisten (zu 82.000 im Vorjahr).
So ist das nunmal und jammern, meckern, lamentieren helfen nicht wirklich. Eine langfristige Strategie dagegen schon. Ich beleuchte hier drei Maßnahmen, die strategisch besonders bedeutsam und wirkungsvoll sind, um gegen den Fachkräftemangel anzugehen:
1. Personalbedarfsplanung
Kontinuierliche Planung erhält die Handlungsfähigkeit und damit den Erfolg. Auf der Seite der KOFA findet man einen hervorragenden Artikel zu diesem Thema, der Schritt für Schritt die Planung erläutert. Beginnend bei der Altersstrukturanalyse bis zur Ableitung von Maßnahmen, besser könnte ich es nicht beschreiben.
Fazit: Handeln bevor der Markt oder die Auftragslage Sie zwingen. Das schafft Freiräume und eine entspannte Umsetzung.
2. Benefits bieten
Sie bieten eine leistungsgerechte Vergütung, ein gutes Betriebsklima und einen Parkplatz? Weder bei der Generation X, Y, Z noch bei den heiß begehrten, erfahrenen Fachkräften über 50 können Sie damit punkten! Der Markt hat sich vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt entwickelt. Gewöhnen Sie sich dran, dass Sie sich bei Ihren zukünftigen Mitarbeiter gut verkaufen müssen.
Fazit: Benefits müssen durchdacht, sinnvoll, attraktiv sein – und kommuniziert werden.
Gute Beispiele sind:
Fresenius Karrierewebsite
Bayerwaldhof Karrierewebsite
3. Fachkräfte ausbilden
Ist der Markt quasi leer, das Angebot kaum vorhanden, bleibt nur die Investition in den Nachwuchs in Form von Ausbildungsplätzen. Ideal, wer hier sowieso schon Ausbildungsbetrieb ist, alle anderen müssen sich evtl. qualifizieren und/oder ihre internen Abläufe entsprechend optimieren.
Fazit: Möglichst früh in Kontakt treten mit den Kandidaten (Schulen und Hochschulen, Karriere-Events, Aktionstage) und für den Beruf und den eigenen Betrieb werben.
Azubi-Suche
Alle drei Maßnahmen zusammenzufassen wäre natürlich ideal, die Strategie könnte wie folgt beschrieben werden:
Frühzeitig (Punkt 1 Personalbedarfsplanung) mit attraktiven Angeboten (Punkt 2 Benefits) in die Azubi-Suche (Punkt 3 Fachkräfte ausbilden) investieren.
Diesen Weg geht z.B. Heike Grünert, Geschäftsführerin der ITZ Rhein/Maas GmbH in Mönchengladbach, die bestätigt: „Es ist momentan sehr schwierig in unserer Branche an Fachkräfte zu kommen. Der Bereich boomt und der Markt ist leergefegt. Das ITZ fährt eine proaktive Strategie: wir bilden unsere Fachkräfte selber aus und binden sie somit schon früh an uns.
Wir gehen in die Schulen und machen uns bei potenziellen Azubis bekannt. Dass das funktioniert, beweisen unsere ehemaligen Azubis, die bei uns inzwischen Software-Entwickler, Teamleiter oder Account Manager sind.“
Generation Z wo bist du?
Vorab nochmal zur Übersicht die Generationen und die Zeiträume, die je nach Quelle, auch schon mal von den angegebenen Jahreszahlen abweichen.
Soweit so gut und bekannt. Wiederum bedeutet dies, dass Ihre zukünftigen Azubis die Jugendlichen der Generation Z sind, die ab 1995 geboren wurden. Und wo hält sich die Zielgruppe auf, außer in der Schule? Im Social Web, insbesondere auf Instagram.
65% der Befragten nutzen Instagram täglich, eher mehrmals als nur einmal – das ermittelte eine Studie mit 1.800 Teenagern des Pew Research Centers.
Leider gibt Facebook (als Mutter von Instagram) selten explizit Zahlen für Deutschland heraus. Diese hier sind aber ein deutlicher Hinweis auf das Potential bei der Zielgruppe 13-24 Jahre.
Weltweit: 1 Milliarde monatlich aktive Nutzer
Deutschland: ca. 17,5 Millionen Nutzer
Anteil Männer und Frauen 50:50
Altersgruppen:
2,9 Mio. 13 – 19 Jahre
4 Mio. 20 – 24 Jahre
3,4 Mio. 25-29 Jahre
Quellen gibt es unterschiedlichste, z.B. diese
Buggisch Blog und Crowdmedia
Instagram und Recruiting – passt das?
Jugendliche wollen sich auf Instagram nicht unbedingt informieren, sondern in erster Linie unterhalten. Sie folgen ihren Influencern und Marken, kaufen schöne Dinge von Mode bis Beauty, von Technik bis Deko. Sie posten sich und Ihr Leben und leider hängt häufig ihr Selbstwert von der Anzahl der Likes und Follower ab (das ist ein anderes, aber wichtiges Thema).
Wie kann es (trotzdem) gelingen, potentielle Bewerber anzusprechen? Authentisch sein, unterhaltsam sein, relevant sein.
An dieser Stelle möchte ich einen Weg in Form eines Praxisbeispiels vorstellen. Wie immer, gibt es viele Wege, die nach Rom oder zum Azubi führen. Diesen Weg geht die erwähnte ITZ Rhein/Maas GmbH seit kurzem. Sie überlasst den Instagram Account ihren Azubis. Warum und wie genau geht das? Diese Fragen beantworteten mir Heike Grünert, Geschäftsführung und Jonas Hübner, Azubi im 3.Jahr:
Drei Fragen an Heike Grünert
Was gab den Anlass für die Entscheidung Instagram zu nutzen?
Wir überlegten in einem Meeting im Sommer 2019, welche Möglichkeiten wir haben, um das ITZ einerseits bekannter zu machen und andererseits dafür zu sorgen, dass Schulabgänger uns als Ausbildungsbetrieb attraktiv finden. Aus dem Azubi-Team selber kam dann die Idee, doch ein ITZ Firmenprofil auf Instagram zu gestalten und so gerade die jüngere Zielgruppe anzusprechen. Da das ITZ offen für neue Ideen ist, haben wir uns gesagt, probieren wir es einfach mal aus.
Warum haben Sie sich dafür entschieden, die Auszubildenden das Profil verwalten zu lassen?
Unsere Azubis übernehmen von Anfang an in verschiedenen Bereichen und in unterschiedlichem Umfang Verantwortung für eigene Projekte. Das Instagram-Profil bot sich daher als eigenständiges Projekt für das Azubi-Team an. Unsere Azubis sind der entsprechenden Altersgruppe noch am nächsten, selber in den Sozialen Medien aktiv und wissen daher am besten, was Aufmerksamkeit weckt und interessant macht. Außerdem bietet dieses Projekt eine gute Möglichkeit, Selbstorganisation zu üben, Verantwortung für Termine zu übernehmen und neue Ideen umzusetzen.
Gibt es Richtlinien, Vorgaben und wer gibt die Beiträge frei?
Die Verantwortung liegt vollständig bei unseren Azubis. Es versteht sich von selbst, das allgemeingültige Regeln beachtet werden (keine gewaltverherrlichende, hassschürende oder abwertende Posts, Datenschutz etc.). Klar ist auch, dass das Firmenprofil nicht für private Urlaubsfotos gedacht ist. Ansonsten steht es den Azubis frei, sich zu überlegen, was interessant für die Zielgruppe ist bzw. was in ihrem ITZ-Leben so alles erwähnenswert wäre.
Drei Fragen an Jonas Hübner*
Wie findest Du die Möglichkeit für Deinen Ausbildungsbetrieb auf Instagram zu posten?
Es ist sehr spannend, dieses Profil neu aufzubauen und sich zu überlegen, was man einstellen, posten, fotografieren könnte. Vor allem ist es super, dass wir hier wirklich selbstständig über die Beiträge entscheiden können. Klar, können wir nachfragen, wenn wir Hilfe benötigen, aber das Vertrauen, dass das ITZ in uns hat, ist toll.
Ihr seid gerade am Anfang. Was plant ihr zu posten?
Ideen sind viele da: Stories aus der Uni, Berufsschule, Kundeneinsatz; Berichte aus dem ITZ, Einsatz als Ausbildungsbotschafter (siehe Karriere Kick MG oder zdi-Mintblogger – Zdi-Heldinnen im Oktober), Einblicke in Meetings usw.
Wie genau stimmt ihr euch ab, wer macht wann was?
Im ITZ gibt es nur kurze Wege – auf Zuruf und beim monatlichen Azubi-Treffen. Bei momentan fünf Azubis hat jeder ungefähr einmal im Monat einen Beitrag, Stories werden öfter und gegebenenfalls spontan und flexibel gepostet. Im ITZ Wiki gibt es einen Extra-Bereich für unsere Azubi-Projekte, in dem wir uns austauschen, Ideen sammeln und uns unterstützen.
Vielen Dank für die Antworten und viel Erfolg (und Spaß) mit Instagram. Hier geht es zum Instagram Account der ITZ Rhein/Maas GmbH